Wie viel ist zu viel?

Wintersport und Massentourismus

Viele Gründe sprechen für einen Frankreich Ski Urlaub, einige der Skigebiete gehören zu den größten und höchsten weltweit.
Gedränge auf der Piste: Zerstören Skitouristen tatsächlich die Alpenwelt, wie Kritiker immer wieder einwerfen? Hans (CC0-Lizenz) © pixabay.com

Wintersport ist ein Milliardengeschäft, das während der Saison abertausende Touristen und Skibegeisterte in die Gebirgsorte Frankreichs lockt – ein sicherer Arbeitsplatzgarant in ansonsten oftmals strukturschwachen Regionen. Doch wiegen die Kehrseiten die Vorteile nicht längst auf?

Gründe nach Frankreich zu fahren, gibt es sicherlich viele, doch nicht jedem wird dabei das Skifahren in den Sinn kommen. Dabei hält das Land neben seinen landschaftlichen und kulinarischen Vorzügen auch eine ganze Reihe von Skigebieten für begeisterte Wintersportler bereit – einige dieser Regionen gehören zu den größten und höchsten weltweit.

Es stellt sich allerdings doch die Frage, welche Auswirkungen der Skitourismus auf die ehemals idyllischen und ruhigen Bergregionen hat, sobald sie für die Massen erschlossen werden: Denn bei aller wirtschaftlichen Relevanz bewegt sich die Branche immer auf einem sehr schmalen Grat zwischen dem Erhalt der Landschaft, die überhaupt erst für die Einnahmen sorgt, und deren Umgestaltung für immer ehrgeizigere touristische Ziele. Skilifte, planierte Pisten und Schneekanonen können das Bild der Berglandschaften nachhaltig verändern und sind daher nicht frei von Kritik. Es bleibt die Frage, ab wann für die Natur die Grenze des Erträglichen überschritten ist – und ob es überhaupt so weit kommen muss.

Wintersport-Boom

Zahlenspiel Wintersport

Wintersportler und Skier Days

Eingangs war bereits von abertausenden Touristen die Rede, die alljährlich Pisten und Hänge bevölkern. Doch wie viele sind es tatsächlich? Hierzu gibt es im Grunde genommen zwei relevante Größen: Zum einen die Anzahl der Skifahrer und Snowboarder unter den Wintersporttouristen, zum anderen die Anzahl der sogenannten Skier Days, bei denen pro Gast jeweils die erste Skiliftnutzung am Tag gezählt wird.

Europäischer Wintersport in Zahlen
Quelle: : © Statista 2016

Mit mehr als 8,5 Millionen Wintersportlern gehört Frankreich nicht nur im europäischen Vergleich zu den führenden Nationen. Bei den Skier Days gilt Ähnliches, selbst wenn die Zahlen zur Skisaison 2014/15 leicht rückläufig waren. Zum Vergleich: Das bei Skitouristen allseits beliebte Österreich kam im selben Zeitraum auf etwa 52 Millionen Skifahrertage – allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass sich die Zahl der wintersporttreibenden Österreicher mit rund drei Millionen in überschaubaren Dimensionen bewegt. Für einen Großteil der Skier Days sind daher Skifahrer aus dem Ausland verantwortlich. Dennoch decken die beiden Länder zusammen bereits etwa zwei Drittel des europäischen Marktes ab.

In der Schweiz zeichnet sich ein ähnliches Bild, auch wenn die Skier Days im Vergleich zu Frankreich und Österreich deutlich geringer ausfallen. Dahinter liegt dann der deutsche Wintersport: Die Anzahl der Skifahrer und die Skier Days in der betreffenden Saison halten sich hier ziemlich genau die Waage. Deutlich lässt sich aber erkennen, wie weit sich der Status des Wintersports als Breitensport inzwischen europaweit etablieren konnte.

Investition Skilift und Piste

Das Problem für den Skitourismus an den oben genannten Zahlen: Sie lassen sich offenbar kaum noch steigern. Damit die Umsätze in Zukunft nicht mehr und mehr wegbrechen, wird also ein immenser finanzieller Aufwand betrieben, um den Wintersportlern immer größere und spektakulärere Pisten bieten zu können. Investiert wird deshalb auch weiterhin in neue Skilifte: Allein das Skigebiet Les 3 Valleés wird zur kommenden Skisaison gleich mehrere neue Sessellifte für die Besucher bereithalten, weitere Anlagen entstehen in La Plagne, Avoriaz und Les Arcs. Die Betreiber können so deutlich mehr Skifahrer in deutlich kürzerer Zeit auf die Pisten bringen. Begleitet werden diese Neubaumaßnahmen an einigen Stellen auch mit einer Neustrukturierung der Pistenlandschaft – Anfängerpisten und die Möglichkeit, auch nachts auf den Skiern unterwegs zu sein, sollen das Angebot erweitern und so wieder mehr Gäste anlocken.

Umweltfaktor Wintersport

Eingriffe als notwendige Übel: Infrastruktur und Arbeitsplatzsicherung

Skilifte

Für Skilifte müssen nicht nur Schneisen in Wälder geschlagen, sondern teilweise auch der Untergrund für die Masten-Fundamente verfestigt werden.

Der Skitourismus folgt also wie jeder andere Wirtschaftszweig eines Landes den Regeln der Marktwirtschaft. Da an einer funktionierenden Wintersportlandschaft oft genug zahlreiche Arbeitsplätze in den betreffenden Regionen hängen, besteht natürlich ein weitläufiges Interesse daran, die Attraktivität für die Touristen aufrechtzuerhalten.

Das betrifft aber nicht nur, wenn auch natürlich in hohem Maße, die ansässige Bevölkerung, die vielfach in den touristischen und gastronomischen Betrieben in Lohn und Brot steht. Vielmehr steckt hinter dem Geschäft mit dem Wintersport, abseits der lokalen Auswüchse wie Hotels, Restaurants und Skiliftanlagen, eine riesige Industrie:

  • Dazu gehören beispielsweise die Hersteller von Skiern, Snowboards, Wintersportbekleidung, Accessoires etc.
  • Unternehmen, die diese Ausrüstung vertreiben: Nicht nur Skier benötigen Bindungen und Stiefel, auch die immer beliebter werdenden Snowboards kommen ohne solches Zubehör nicht aus. Zudem unterscheiden sich die Sportgeräte auch intern nach geplantem Einsatzbereich: Die Firmen verkaufen also nicht nur, sondern beraten auch Online und in Geschäftsräumen mit weiteren Angestellten.
  • Ihren Anteil haben selbstverständlich auch Reisebüros, die für jeden Urlauber den Trip durchorganisieren.

Die Liste ließe sich beinahe beliebig weiterführen, denn zu den Profitanten des Skitourismus zählen auch IT- und Marketingfirmen, die sich um die Gestaltung der Internetauftritte von Wintersportgebieten und Hotels kümmern, genauso wie Reinigungsunternehmen, die für die alltägliche Hygiene und den gewissen Wohlfühlfaktor sorgen.

Doch das alles hätte keineswegs Bestand, wenn vor Ort nicht die notwendige Infrastruktur bereitgestellt würde, um eine Region überhaupt für den Skitourismus zugänglich zu machen: Nicht selten bedeutet das eine erhebliche Umgestaltung in den Orten, weil nicht nur Unterbringungsmöglichkeiten für die Gäste geschaffen werden müssen, sondern gegebenenfalls auch erst die verkehrstechnische Angliederung – schließlich liegen die Skigebiete zwangsläufig eben nicht in unmittelbarer Nähe der urbanen Ballungszentren. Darüber hinaus erfordert die Branche unter

Gastronomie auf den Bergen
Infrastruktur vergrößert nicht nur die Orte im Tal, sondern bedingt auch Gastronomie auf den Bergen selbst.

Umständen auch Nachholbedarf, was die Sicherheitsbedürfnisse der Wintersportler anbelangt: Es gilt daher, für eine ausreichende Versorgung mit ausgebildeten Sicherheitskräften und Ärzten zu sorgen.

Zur Grundausstattung einer jeden Skiregion zählen last but not least eben die Pisten, die in jeder Hinsicht immer mehr Abwechslung bieten sollen – länger, schneller, weiter sind nur einige der Maßgaben für die Gestaltung der Berglandschaft im Sinne eines attraktiven Skitourismus. Nicht ohne Folgen für die Landschaft bleibt auch die Installation der dazugehörigen Lifte, nicht zuletzt wegen der notwendigen Verankerung der Stützmastenfundamente im felsigen Untergrund.

Auswirkungen auf die Natur

Auf die Natur haben solche Umbauten freilich umfangreiche Auswirkungen, doch stellt sich die Frage: Was davon sind echte Negativfolgen und was wird von Umweltschützern vielleicht nur überzogen dargestellt? Die Antwort ist vielschichtig:

Geologie: Lawinen, Erdrutsche und Überschwemmungen als mögliche Gefahren

Abholzen von Hängen
Durch das Abholzen von Hängen zur Pistengestaltung können Lawinen nicht mehr durch Bäume gebremst werden – es werden solche Lawinenbarrieren notwendig.

Die möglichen geologischen Folgen des Wintersports lesen sich wie das Drehbuch zu einem Katastrophenfilm: Durch Rodungen wird der Mutterboden frisch angelegter Pisten nicht mehr von Baumwurzeln gehalten und kann nach Regenfällen ins Tal herabstürzen. Umgekehrt sorgen die Fahrten der Pistenraupen auf älteren Strecken für eine übermäßige Verdichtung des Bodens bis zu einem Punkt, an dem dieser kein Wasser mehr aufnehmen kann, das bei Regenfällen sturzbachartig ins Tal fließt. Ähnliches lässt sich auch bei schneebedeckten Hängen beobachten, nur dass hier fehlende Bäume keine natürliche Bremse mehr für die Schneemassen einer Lawine darstellen.

Fakt ist: Wintersport kann durchaus für solche Katastrophen mit verantwortlich sein. Allerdings können Lawinen, Erdrutsche und Überschwemmungen auch in Folge von Wetterphänomen ganz ohne menschliches Zutun vorkommen. Und genau deshalb empfehlen sämtliche Beteiligten zwischen Bergwacht und den Ausrüstern wiederholt, sich nie ohne entsprechende Notfallausrüstung abseits der Pisten zu bewegen:

  • Lawinensonde
  • Erste-Hilfe-Set
  • ABS-Rucksack
  • Schneeschaufel

Da die Skiregionen überdies ein grundsätzliches Interesse an der Sicherheit ihrer Gäste haben, wird solchen Gefahrensituationen beispielsweise durch Lawinenbarrieren entgegengewirkt. Mit Erfolg: Die Zahlen zeigen, dass die Zahlen der Lawinentoten seit den 80ern konsequent rückläufig sind.

Flora: Das Kunstschnee-Dilemma

Die Skigebiete der französischen Alpen gehören im internationalen Vergleich zu schneesichersten. Das ist nicht nur für die regionale Tourismusbranche und die Gäste von Vorteil, sondern zugleich auch eine natürliche Entlastung für die alpenländische Vegetation. Schneesicherheit bedeutet nämlich eine weitaus geringere Notwendigkeit, die Pisten mit Kunstschnee zu präparieren. Der Einsatz von Schneekanonen sorgt durch seinen enormen Verbrauch – schätzungsweise rund 95 Millionen Kubikmeter Wasser – sorgt für ein allgemeines Austrocknen der Alpenregionen. Dadurch wird Flüssen das Wasser und der Pflanzenwelt die Lebensgrundlage genommen.

Umgekehrt leiden die Pflanzen aber nicht nur unter der Trockenheit, sondern auch unter der künstlichen Beschneiung selbst: Normale Schneeflocken sind lockere sechskantige Kristalle, die auch bei starker Verdichtung noch Zwischenräume lassen, durch die Luft zirkuliert. Kunstschnee hingegen besteht aus kleinen Eiskugeln, die sich wesentlich mehr verdichten, was dazu führt, dass darunterliegende Pflanzen nicht atmen können. Jedoch ließe sich dieses Problem zumindest reduzieren, wenn die Schneekanonen nicht wie bisher nachts eingesetzt werden: Nächtliche Kälte sorgt in Verbindung mit Pistenraupen erst dafür, dass der Schnee verdichtet und vereist. Würden die Pisten morgens beschneit werden, könnte die Sonne dafür sorgen, dass der Kunstschnee länger locker bleibt – was wiederum die Skifahrer begrüßen: Die meisten mögen aus fahrtechnischen Gründen keinen Kunstschnee.

Fauna: Bitte nicht stören

Auch in der Tierwelt sorgen Schneekanonen für Probleme: Auf Volllast erzeugen sie so viel Lärm wie eine Autobahn zur Rush-Hour – eine kaum zu überhörende Lärmbelästigung für die Tiere.

Gleichermaßen störend können Skiwanderer sein, die sich zumeist abseits der Pisten bewegen. Doch hier ist die Faktenlage längst nicht so eindeutig. Kritiker führen an, dass die Tiere durch die Wanderer dazu genötigt würden, vor der vermeintlichen Bedrohung zu fliehen. Das würde Reh und Gams in den Erschöpfungstod treiben. Allerdings sind diese Tiere, auch ohne den Skitourismus, Fluchttiere. Nichtsdestotrotz ist es gerade zu Zeiten, in denen das Wild seinen Nachwuchs versorgt oder während der Brutzeiten von Vögeln wichtig, die nötige Sensibilität gegenüber der Tierwelt an den Tag zu legen.

Die zwei Seiten der Medaille

So unbestritten die negativen Auswirkungen von Skitourismus und Wintersport auch sein mögen, doch die Auseinandersetzung mit der Problematik sollte keinesfalls in simple Schwarz-Weiß-Malerei ausarten. Tatsächlich zeigt die Branche mittlerweile in verschiedenen Bereiche Perspektiven auf, nicht nur im Bereich der Erwerbstätigkeit.

Zukunftsperspektive Wintersport

Die Alpen bieten kaum Verdienstmöglichkeiten abseits des Tourismus, die geographischen Gegebenheiten lassen beispielsweise eine Landwirtschaft in dem Umfang, wie er für wirtschaftliche Erträge notwendig wäre nicht zu. Die teilweise Unzugänglichkeit der Bergregionen macht darüber hinaus die Ansiedlung von Industrie unmöglich. Was bleibt sind die landschaftlichen Vorzüge und die damit verbundene (relative) Ruhe. Als Alternative zur Weidewirtschaft ist der Tourismus daher eine lukrative Alternative, von der die ansässige Bevölkerung nur profitieren kann. Eine berufliche Perspektive in der Heimat könnte zudem die Abwanderung der jüngeren Generationen zumindest eindämmen.

Nachhaltigkeit als Perspektive: Sanfter Tourismus

Auch im Bereich der Umweltbeeinträchtigungen gibt es inzwischen seit Jahren eine Perspektive zum konventionellen Skitourismus: Denn das Thema Nachhaltigkeit wirkt sich auch auf den Tourismus als Ganzen und daher folgerichtig auf die Skiregionen aus. „Sanfter Tourismus“ ist gefragt und die größere ökologische Sensibilität der potenziellen Besucher zwingt auch die Branche zu einem entsprechenden Umdenken.

Abseits der Pisten sollten umweltbewusste Skifahrer ebenso verzichten wie auf übermäßigen Verbrauch von Strom und Wasser im Hotel.

Die Lösungen sind dabei denkbar einfach: Einsatz erneuerbarer Energien, Müllvermeidung, eine Umstellung der Infrastruktur hin zu autofreien Urlaubsorten oder bestenfalls sogar Skigebieten und ein größeres Eingehen auf die Umwelt, die letztendlich als Lebensgrundlage dient – dies sind nur einige der denkbaren Maßnahmen, mit denen das Bedürfnis nach einem umweltschonenden Urlaub befriedigt werden kann. Alternative Angebote für die Touristen ermöglichen es zudem, die Abhängigkeit vom Skitourismus einzuschränken. Abgesehen davon bedeutet ein reichhaltigeres Angebot natürlich auch ein potenzielles Mehr an Gästen.

Die wiederum können nicht nur durch die Wahl des Urlaubsortes und ihrer Unterkunft einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit im Winterurlaub beitragen, sondern auch gleich durch ihr Verhalten. Daher gilt:

  • Schon bei der Buchung kann die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien im Reisebüro oder beim Reiseveranstalter erfragt werden, eventuell helfen auch Umweltzeichen bei der Orientierung.
  • Ausgewiesene Pistenverläufe sollten zwecks Schonung von Flora und Fauna – und um Gefahren durch ungewollte Schneeabgänge zu vermeiden – unbedingt eingehalten werden.
  • Schneeschuhwanderungen sollten wirklich nur in Begleitung angegangen werden. Die Führer wissen am besten über die Schonzeiten der Tiere nach, so dass der Marsch durch den Tiefschnee keine Belastung darstellt.
  • An und für sich eine Selbstverständlichkeit, da es einer der Gründe für den Urlaub ist: die Bevorzugung regionaler Produkte. Das macht nämlich nicht nur aus klimatischen und Umweltschutzgründen Sinn, sondern ist auch der beste Weg, die ausgewählte Urlaubsregion in allen Facetten kennenzulernen.

Fazit:

Ist der Skitourismus wirklich so schlecht, wie der Ruf, der ihm zuweilen vorauseilt? Die Schäden, die ein allzu rücksichtsloser Tourismusbetrieb in Bergregionen anzurichten vermag, sind sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Zugleich gilt es natürlich auch, die wirtschaftliche Bedeutung für die betroffenen Regionen zu berücksichtigen. Wünschenswert wäre daher eine Entwicklung, die gleichermaßen den Wintersport zulässt UND die Natur erhält.

Der dazu notwendige Umdenkprozess ist vielerorts bereits in vollem Gange, denn das Thema Nachhaltigkeit wird zunehmend zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor: Mit sanftem Tourismus ließen sich die beiden ausgegebenen Ziele langfristig zusammenbringen – ohne eine Gefahr für die Existenzen der betroffenen Menschen darzustellen und ohne weitere Beeinträchtigungen der Umwelt.