Auslandssemester

Die Situation nach der Rückkehr

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Die Situation nach der Rückkehr vom einem Auslandssemester. Man fühlt sich selbstbewusster, reifer und traut sich in vielen Dingen mehr zu.

Veränderungen in der Fremd-und Selbstwahrnehmung

Gewöhnlich stellen sich nach der Rückkehr zumindest kleine Veränderungen im Leben ein: Man fühlt sich selbstbewusster, reifer und traut sich in vielen Dingen mehr zu, da man im Ausland vieles geschafft hat, obwohl man es in einer fremden Sprache und ganz allein schaffen musste.

Zitat:
"Ich hatte eine Art Abwehrhaltung gegenüber dem "langweiligen" Leben in der einen Kultur aufgebaut. Es dauerte eine Weile, bis ich erkannte, dass die Rückkehr nach Deutschland nicht zugleich auch Rückkehr in die "Monokultur" bedeutete, sondern dass die Erfahrungen IN mir ihre Wirkung tragen und ständig tragen werden."

Das Bild, das man vom Ausland hatte, wird durch das wirkliche Leben dort zum Teil verstärkt, zum Teil korrigiert. In jeden Fall wird es ein wirkliches Bild, aufbauend auf eigene Erfahrungen. Man wird dem anderen Land aber ebenso dem eigenen gegenüber kritischer, betrachtet beide mit anderen Augen, beide in gewisser Art mit den eines Ausländers, denn durch den Kontakt zweier Kulturen und deren Vergleich wird man sich seiner eigenen Kultur überhaupt bewusst.

Zitat:
"Ich wusste vorher gar nichts zu antworten, wenn mich jemand nach der deutschen Kultur gefragt hat. Ich dachte irgendwie, das sei doch alles ganz normal und nichts besonderes."

Man erkennt so seine Verankerung in der eigenen Kultur und auch das allmähliche Abweichen davon durch die teilweise Assimilation an die neue Kultur.

Interesse im Bekanntenkreis

Für viele völlig unerwartet zeigten sich viele Bekannte nach der Rückkehr nicht sehr interessiert an den persönlichkeitsumkreppelnden Erfahrungen, die jeder Einzelne in den letzten Monaten machen konnte, zu den Standardanekdoten gehört z.B. die Begegnung an der Uni: "Na wie war’s? - Gut, und selbst?" Dies ist nach mehrfach gescheiterten Versuchen der Standardspruch, mit dem man versucht, die Distanz zu überbrücken.
Schwierigkeiten bereitet außerdem oft, das in der langen Zeit Erlebte in wenigen Sätzen auszudrücken, so dass vielfach nicht nur das mangelnde Interesse des Gegenübers zu solchen Anekdoten führt, sondern einfach die fehlende Fähigkeit, seine Erfahrungen in wenigen Sätzen auf den Punkt zu bringen.

Zitat:
"Als mich eine Freundin das erste Mal fragte, wie es denn in Frankreich gewesen sei, konnte ich im ersten Moment nur sagen, dass es mir sehr gut gefallen hat. Denn wie soll man 6 Monate Erfahrung in zwei Sätzen zum Ausdruck bringen? Bei einigen Leuten, zum Teil aus er eigenen Familie war es aber auch so, dass man merkte, sie stellten die Frage nur aus Höflichkeit und wollen eigentlich keinen detaillierten Bericht hören, sondern im Grunde nur, dass es mir gut gefallen hat oder so etwas in der Richtung."

"Obwohl ich rational wusste, dass man mir die Frage "Na, wie war´s denn?" stellen würde, war ich trotzdem nahezu geschockt, als sie mir dann tatsächlich gestellt wurde. Ich konnte irgendwie wirklich gar nicht antworten und habe dann meistens angefangen, die Orte aufzuzählen, die ich während der Zeit auch noch besucht hatte."

Kontakte nach der Rückkehr

Durch den längeren Auslandsaufenthalt hat sich bei einigen Rückkehrern der Bekanntenkreis auch in der Heimat vergrößert, und zwar durch Kontakte zu anderen Studenten, die auch im Ausland gewesen sind, vielleicht sogar in der gleichen Stadt.
Der Kontakt zu ausländischen Studierenden wird hinterher häufiger gesucht, weil man deren Situation selbst erlebt hat und weil man sich im Nachhinein traut, in der Fremdsprache zu kommunizieren und dies sogar gerne möchte.

Zitat:
"Ich gehe offener auf ausländische Studenten in meinen Seminaren zu, da ich selber mal in der gleichen Situation war wie sie und mir genau vorstellen kann, wie sie sich fühlen. Ich habe mich auch für ein Betreuungsprojekt von ausländischen Studierenden gemeldet, das ihnen den Start an unserer Uni und in unserem Alltagsleben erleichtern soll."

Durch den längeren Abstand hat sich manchmal auch im alten Freundeskreis - gewollt oder ungewollt - einiges verändert. Einige mussten erfahren, dass sich vorher so gesehene Freunde plötzlich nicht mehr gemeldet und den Kontakt vollständig abgebrochen haben. Durch die große Distanz kann die Freundschaftsbasis in einigen Fällen nach der Rückkehr nicht oder nur mit Mühe wieder nicht wieder erreicht werden, weil sich beide Seiten unabhängig voneinander weiterentwickelt haben und für die jeweils andere Seite weniger Interesse aufbringen können oder wollen.

Zitat:
"Eine Freundin hat auf wiederholte Briefe nicht einmal geantwortet und andere haben am Anfang einen Brief geschrieben und es damit auf sich beruhen lassen."

Aber die Abwesenheit in Deutschland kann auch unerwartet neue Kontakte zu alten Bekannten aufbauen:

Zitat:
"Aber es entwickelten sich zudem auch ganz neue Brieffreundschaften zu alten Bekannten, in denen wir uns z.T. näher kamen als das der Fall in Deutschland war.
Ich kann sagen, dass mir erst in der Ferne bewusst geworden ist, wer mir besonders am Herzen liegt. Und ebenso erfuhr ich dann, wer mich zu Hause am meisten vermisste. Bei meiner Rückkehr hatte ich das Gefühl, den einen oder anderen besser kennengelernt und in Deutschland auf’s Neue Freunde gefunden zu haben."

Was beinahe selbstverständlich und deshalb nicht als erstes erwähnenswert scheint, sind die Kontakte, die man im Ausland geknüpft hat und die - erwartet oder vielleicht auch sogar wider Erwarten - die Auslandszeit überdauert haben.

Zitat:
"Zurück in Bielefeld hatte ich das Gefühl, das Bild von alten und neuen Kontakten würde sich umdrehen. Mir fehlten meine neuen Freunde aus Lyon, die doch nun zu mir und meinem neu aufgebauten Leben gehörten. Sie waren jetzt wie meine alten Freunde, wenn ich zurück guckte.
Hier begann dann mein Leben ebenfalls noch ‘mal neu, zumindest erschien es mir irgendwie anders als zuvor. Und ich schaute dabei sehnsüchtig auf mein "altes", mir inzwischen so vertrautes Leben in Lyon zurück."

Private und berufliche Perspektiven

Ist man wieder in der Heimat angelangt mit der französischen Sprache in Kopf und Herz, würde man am liebsten sofort wieder die Koffer packen und zurückfahren. Viele von uns inzwischen verfrancophonten StudentInnen könnten sich nach dem Aufenthalt wirklich vorstellen, einmal in Frankreich zu leben und zu arbeiten.

Seine eigenen Zukunftsperspektiven ändern sich - bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Denn hat man erst einmal erfahren, wie interessant und persönlichkeitsumkrämpelnd so ein Ausbruch aus der altbekannten Kultur ist, möchte man immer mehr sehen und erleben. Das muss sich jetzt nicht nur auf Frankreich beziehen. Vielmehr hat man nun das Bewusstsein erlangt, dass es noch viele andere, einem unbekannte Dinge auf der Welt geben muss.

So merkt man z.B., dass vieles, was man bisher als das Normalste der Welt angesehen hat, für Menschen anderer Kulturen noch lange nicht normal sein muss. Da holen wir uns also kurz ‘mal eine Kiste Bier, die in Frankreich unvorstellbarer weise gar nicht existiert. Die Franzosen trinken Leitungswasser, und wir haben nichts zu trinken im Haus, wenn das Mineralwasser ausgegangen ist.

All diese kleinen und doch großen Erfahrungen haben uns verändert oder zumindest irgendwie beeinflusst. Und dadurch, dass man nun auch seine Umwelt und Mitmenschen anders beurteilt, tun sich plötzlich für einen selbst auch neue Wege auf. Man hat mehr oder andere Ideen für seine Zukunft im Kopf, lässt seiner Phantasie freien Lauf und träumt von dem, was passieren könnte. Und dabei hat man manchmal plötzlich vor Aufregung ein richtiges Kribbeln im ganzen Körper, weil man weiß, dass man es wirklich tun kann, wenn man nur will und sich traut.

Die erste Hürde, für längere Zeit ins Ausland zu gehen, ist ja bereits genommen. Jetzt ist einem das Land, die Menschen und der dortige Ablauf von Alltäglichkeiten vertrauter. Man weiß mehr darüber Bescheid, was zu tun ist oder was man tun kann, um "ins gelobte Land" zu kommen. Man hat Bekannte und Freunde dort gefunden, die man kontaktieren kann, um einem zu helfen. Und man ist auch nicht mehr so unbeholfen und scheu, sich bei öffentlichen Institutionen Informationsmaterial zu besorgen oder einfach den Gang zu Leuten zu wagen, die bereits Auslandserfahrungen haben, denn man fühlt sich diesen Menschen jetzt einfach näher.

Nostalgie

Nach einem Auslandsaufenthalt hat man selten die Möglichkeit, seine Erfahrungen wirklich zu verarbeiten. Das Leben in seiner Heimat geht seinen gewohnten Gang weiter und zum Verarbeiten der Eindrücke und Gefühle fehlt oft die Zeit und meistens auch Personen, die ausreichend interessiert sind, dass man sich mit ihnen austauschen kann.

Zitat:
"Es beginnt eine harte Zeit des Verarbeitens von Gefühlen und Sehnsüchten, die niemand hier so richtig verstehen kann. Wie auch?"

Das viele Sehnsüchte zumindest unterbewusst in einem verwurzelt bleiben, zeigt sich in Momenten wie diesen:

Zitat:
"Eben habe ich am Autoradio ein Lied gehört, das ich in Frankreich ständig, danach aber nie wieder gehört habe. Da kamen mir bald die Tränen, und ich konnte kaum weiterfahren."

Die negativen Augenblicke, die man im Ausland erlebt hat, verblassen recht schnell in der Erinnerung. Was bleibt, ist oft ein ideales Bild vom Ausland und der dort verbrachten Zeit. Obwohl man noch weiß, daß einem im Ausland die Heimat manchmal gefehlt hat, so ist es aber später, wenn man in die Heimat zurückgekehrt ist, das andere Land, das einem fehlt.

Zitat: "J´ai le coeur déchiré."

Seine Sehnsüchte verarbeitet man beispielsweise dadurch, dass man französische Bücher, Filme und Musik konsumiert, Photos einklebt...

Zitat:
"Das Problem für mich hinterher, etwa ein Jahr nach Wiederankunft: Langsam verschwindet alles oder vieles von dem Erlebten (...). Die Erinnerung scheint zu verblassen. Um dem vorzubeugen habe ich ein jetzt vollendetes, über 100-seitiges, retrospektivisches Tagebuch angefertigt und so alle Erinnerungen festgehalten. Das gibt die Sicherheit, zumindest davon nichts mehr zu verlieren. Außerdem erlebt man die Zeit im Schnellformat noch einmal. Das tut gut."

Man schreibt viele Briefe, wodurch man intensiven Kontakt zu den neuen Bekannten pflegt. Die meisten zieht es wieder ins Ausland zurück, zumindest für einen kurzfristigen Besuch.

Zitat:
"Dann aber kommt das große Verlangen, Land und Leute noch einmal zu sehen. Das tut auch nochmal weh. "Hoffentlich hat sich nichts geändert, hoffentlich werde ich nicht enttäuscht." Also hin, sobald es geht. Und natürlich hat sich was geändert, wieso auch nicht. Man wird sich der Distanz bewusst und das ist nicht schlecht. Man erkennt Gerüche und Gebäude wieder, sieht Leute wieder, die einem lieb und teuer waren/sind, bemerkt Veränderungen und ist sich sicher: ICH HABE EINE TOLLE ZEIT GEHABT! Der verklärte Blick in die Vergangenheit hilft dabei ungemein. Aber es ist schön, und man fühlt sich des Druckes befreit, sofort wieder dorthin zu müssen. Denn so schnell verändert sich eben doch nicht alles. Der regelmäßige bis sporadische Briefkontakt reicht einem dann. Bis zum nächsten Mal"!

Andere wiederum planen, für längere Zeit, wenn nicht sogar für immer ins Ausland zu gehen, müssen vorher noch ihr Studium in der Heimat abschießen. Sie haben im Ausland ihre große Liebe gefunden:

Zitat:
"Mon amour pour Donia et pour la France me fait y retouner très souvent. J´ai gardé le contact avec quelques professeurs, étudiants, élèves et avec les étudiants étrangers. On était un très bon groupe et le séjour nous a tellement fait évoluer que la nostalgie brûle toujours dans nos coeurs (...) L´amour à distance n´est pas facile. Sans aucun doute, je rêve d´une vie en France."

Quintessenz

Viele Rückkehrer können sich gut vorstellen, nochmals eine längere Zeit im Ausland zu leben, so z.B. nochmal für ein Jahr, für einige Berufsjahre, den Lebensabend oder vielleicht sogar das ganze Leben.

Zitat:
"Ich könnte mir jetzt vorstellen, dort meinen Lebensabend zu verbringen. So mit der hart verdienten Rente auf einem schönen Landhaus in der Nähe von Lyon. Mit allem drum und dran."

"Mittlerweile würde ich auch beruflich dort hingehen, aber nicht für immer."

"Ich würde gerne bald nochmal ein Jahr in Frankreich verbringen, um dort zu arbeiten, am liebsten als assistante."

"Je rêve d´une vie en France."

Auf die Frage hin, ob sie während ihres Aufenthaltes gerne etwas anders gemacht hätten, zeigte sich erstaunlicherweise, dass die meisten nichts bereuten und alles wieder genauso gemacht hätten.

Zitat:
"In einigen Momenten habe ich es bereut, dass ich auch relativ viel mit Deutschen oder anderen Ausländern gemacht habe. Aber gleichzeitig bereue ich es nicht, weil ich es in dem Moment irgendwie gebraucht habe und weil da sehr interessante Leute dabei waren."

"Im Grunde bereue ich nichts. Auch nicht, dass ich relativ viel Kontakt auch zu den anderen deutschen Studenten in Pau hatte. Es gibt halt Situationen, da helfen einem solche Kontakte mehr, vor allem da diese Studenten in genau der gleichen Situation steckten wie man selber."

Es lässt sich also feststellen, dass die im Ausland gemachten Erfahrungen durchweg als positiv bezeichnet wurden und alle Studenten diese Erfahrungen auch nicht mehr missen mögen.
Trotz z.T. schwieriger Eingewöhnungsphasen und Krisen, begleitet von Einsamkeit und Depression, bewerten alle von uns Befragten ihren Auslandsaufenthalt durchweg positiv, da man die unangenehmen Momente erstaunlich schnell wieder vergisst, weil sie in der Erinnerung verblassen und vor allem deshalb, weil sie persönlich und beruflich enorm bereichert worden sind.

Deshalb soll am Abschluss das folgende Zitat stehen:

Zitat:
"Malgré tout, je suis très reconnaissant des bonnes et des mauvaises expériences car elles m´ont apporté énormément dans tous les domaines. J´ai mûri et vois le monde différemment. J´ai passé une année formidable et je recommande à tout le monde de partir à l´étranger."